Meine ersten Eindrücke aus dem „Tal der Wupper“

12.05.2015

Nun sind bereits drei Monate ins Land gegangen, wie die Zeit rennt, in denen ich meine alte und neue Heimat, Wuppertal, wiederentdecken darf. Zu einigen Punkten denke ich: Eigentlich hat sich nichts geändert in den letzten 20 Jahren! Aber das stimmt natürlich nicht wirklich. Auf jeden Fall machen mir die Stadt und die Menschen die Umgewöhnung sehr leicht. Das ist schön.

Die Schwebebahn

Ich habe es einfach noch nicht geschafft, mit dem hängenden Unikum mal wieder durchs Tal in luftiger Höhe zu wackeln. Ist ja alles fein herausgeputzt und umgebaut, das sehe ich schon auch: Neue Träger, neu Waggons, neue Stationen und weniger Lärm für Anwohner. Aber, für mich als neue Ehemalige ist das alles noch sehr gewöhnungsbedürftig. Ich habe ja noch täglich die muffeligen Schaffner genießen dürfen, auf den alten Holzbänken gesessen, im Raucherabteil nach Luft gerungen und Tuffis Absturz schon fast persönlich erlebt. Mir fehlen jetzt die alten Bahnhöfe im Stadtbild, auch wenn ich weiß, dass die garantiert nicht barrierefrei zu gestalten waren. Aber davon abgesehen, ohne Schwebebahn würde Wuppertal derzeit mal wieder echte Probleme haben. Denn es ist das einzige Fortbewegungsmittel, das wirklich problemlos über die Großbaustelle rund um den Bahnhof hinweg schwebt und dort auch zentral mitten in der City anhält.

Die City

Die Stadt ist bitterarm, das spürt man an vielen Ecken. Hohe Arbeitslosigkeit und kaputte Straßen sind allerdings nicht wirklich neu – gab es vor 20 Jahren auch schon. Vom Niedergang der Textilindustrie scheint sich die Stadt nach wie vor nicht erholt zu haben. Aber natürlich gibt es jede Menge neue Geschäfte, Gebäude, neue Angebote und auch das Shoppen ist einfach netter als in einer Kleinstadt. Gerade die gute alte Elberfelder City hat sich durch das ECE und die Großbaustelle am Bahnhof, so mein Eindruck, gewaltig verändert.

12.05.2015

Leider nicht gerade zum Vorteil, wie ich finde. Ich besuche diesen Teil der Stadt möglichst nur, um mal flott was zu erledigen und hoffe sehr, dass sich dieses Manko bald wieder ändert. Trotzdem will ich nicht nur meckern und sagen, „früher war alles besser“. Es gibt auch jede Menge nette Cafés und Kneipen, vor allem rund um das alte „Glanzstoffhochhaus“ und der „Kaufhof“ mit seiner hübschen alten Fassade hat sich wirklich auch von innen gemausert. In den Nebenstraßen finde ich erstaunlich nette Lädchen und ich kann trotz der täglichen Megastaus rund um Döppersberg und Robert-Daum-Platz ganz gut parken, ohne Knöllchengefahr und zu vernünftigen Konditionen. In der City von Barmen scheint fast komplett alles beim Alten geblieben zu sein. Ich kenne hier nach wie vor fast jeden Pflasterstein und genieße den Markt am Samstag am alten Rathaus wie eh und je seit meiner Kindheit. Sonst gibt es von dort wenig Spektakuläres zu berichten. Na ja, höchstens das alte Schwimmbad „Flurstraße“, heute eine schnuckelige Kneipe mit Biergarten, das gern schon mal im Wuppertalkrimi vorkommt, das ist neuer und sehens- und besuchenswert.

Die Uni

Sehr angenehm ist für mich, dass man aus der alten Kaserne auf den Südhöhen einen Campus für Drucktechnik und Informationstechnologie wachsen ließ. Hier kann ich mittags was essen und finde Anknüpfungspunkte zu Themen die mich interessieren. Im Herbst schreibe ich mich als Gasthörerin ein und dann wird das noch leichter. Überhaupt scheint die ehemalige eher überschaubare Gesamthochschule zu einem riesigen Uniapparat mutiert zu sein. Gerade wird zum x-ten Mal wieder angebaut und demnächst ist die Uni möglicherweise sogar mit einer Seilbahn zu erreichen. Das wäre fein, denn dann spare ich mir den Aufstieg auf die Südhöhen. Das Wort Aufstieg steht bewusst nicht in Anführungszeichen, denn vom Tal hier hoch ist es selbst für geübte Gipfelstürmer doch recht beschwerlich. Die Straßen aus dem Tal verlaufen gefühlt senkrecht nach oben und im Winter ist es leichter, mit Ski oder Schlitten bergab zu kommen als mit dem Auto. Aber, ich schweife ab. Ich war ja beim Thema Uni. Der riesige Betonkoloss, und mag er bei Gründung und Bau auch noch so innovativ gewesen sein, ist nach wie vor ein hässliches Störelement, wenn ich von unten aus dem Tal gen Süden ins Grün schaue. Daran ändert auch die innovative Beleuchtung, die offenbar neu hinzukam, wenig. Die Uni hat das Stadtbild nachhaltig verändert. Glücklicherweise nicht nur durch ihre Architektur. In Wuppertal brodelt es kreativ, wenn man das so sagen kann. Kneipen, Kultur und Ambiente sind von jungen, kreativen Menschen und ihren Ideen inzwischen nachhaltig geprägt und wird an manchen Stellen im Land über Integration und das friedliche Zusammenleben mit verschiedenen Nationalitäten noch unangenehm kleingeistig nachgedacht, so ist es in Wuppertal längst gelebte Realität. Als jemand, der 18 Jahre in der Kleinstadt lebte, hat dieses fröhliche bunte Treiben im Stadtbild sehr viel für sich. Arm und Reich, Jung und Alt, Urdeutsche und Eingedeutschte oder Ausländer, hier ist alles auf engstem Raum (das Tal ist ja eng) ganz natürlich und nah zusammen – so mein erster Eindruck nach drei Monaten.

Schade, jetzt habe ich keine Zeit mehr … auch wenn vieles noch nicht gesagt ist. Meine neuen Eindrücke zum Zoo, zum Regen, zu Fahrradtrassen, Spaziergängen, Tony Cragg, Pina Bausch, Theater, Opernhaus, Stadthalle, Museum etc. müssen warten. Kommt mal vorbei ins Tal – es lohnt sich wirklich (wenn die Sonne scheint).